Die Klagen der Toten by Giovanni Maurizio de

Die Klagen der Toten by Giovanni Maurizio de

Autor:Giovanni, Maurizio de [Giovanni, Maurizio de]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2015-09-13T16:00:00+00:00


XXXIX

Für den Rückweg beschlossen sie, durch die Stadt zu gehen. Zwar würde dies etwas länger dauern, doch war am Sonntag mit weniger Menschen, Pferden und Fuhrwerken auf den Straßen zu rechnen.

»Commissario, für mich ist bei den beiden was faul«, machte Maione den Auftakt. »Die wären doch praktisch ruiniert, wenn der Junge nicht das Glück hätte – wenn man das so nennen darf –, dass der Professore starb. Der, wenn ich das recht verstanden habe, ihn weder jetzt noch später durch das Examen gelassen hätte.«

Ricciardi stimmte ihm zu. »Schon. Ohne dieses Examen würde er nie seinen Doktortitel bekommen, könnte nie den Posten des sterbenden Vaters einnehmen, und die Kompagnons würden ihn rauswerfen.«

»Abgesehen von dem Examen scheint mir, dass der kranke Dottore auch noch andere Motive hatte, seinem Kollegen den Tod zu wünschen«, fuhr Maione fort. »Mit jenem anonymen Brief hat Iovine sein Leben ruiniert.«

Der Commissario war unschlüssig. »Alles richtig. Außerdem passt die Statur des jungen Mannes genau zu der Beschreibung, die uns der Goldschmied gegeben hat. Aber ich frage mich, was für einen Sinn es hätte, einen solchen Drohbrief zu schreiben, und dann so etwas zu tun? Das käme doch einem vorweggenommenen Geständnis gleich. Und dann – eine Rache nach mehr als zwanzig Jahren? Das überzeugt mich nicht. Es ist doch eine Sache, einen Sohn ohne Arbeit zurückzulassen, und eine andere, ihn für den Rest seines Lebens hinter Gitter zu bringen.«

Der Brigadiere war noch nicht bereit, seine Theorie ad acta zu legen. »Vielleicht geschah es ja nicht mit Vorsatz, Commissario. Vielleicht war der junge Mann nur hingegangen, um mit dem Professore zu reden, und als der kein Einsehen hatte, packte er ihn und warf ihn aus dem Fenster. Und stellte den Vater, dort in seinem Bett, vor vollendete Tatsachen.«

»Kann sein. Alles kann sein. Hast du gesehen, dass bei dem jungen Mann die linke Schulter mehr hängt als die rechte? Vielleicht ist das ja dem Goldschmied auch aufgefallen. Könnte sich lohnen, da noch mal nachzuhaken. Jedenfalls will ich jetzt erst mal diesen Peppino il Lupo treffen und noch einmal mit der Witwe des Professore reden. Ich würde zu gerne wissen, ob sie von der kleinen Sisinella wusste.«

Maione grübelte eine Weile. Dann sagte er: »Das wäre jedenfalls ein Weg, Commissario. Wenn einer herausfindet, dass seine Frau … Blödsinn … wenn eine Frau herausfindet, dass ihr Ehemann sie betrügt, wer weiß, wozu sie dann in der Lage ist. Aber die Signora war bei ihren Cousinen im Hause, zusammen mit ihrem Sohn, und mir scheint auch, dass sie nicht die Kraft hätte, jemanden aus dem Fenster zu stürzen.«

»Nein, so habe ich es auch nicht gemeint. Die Ehefrau war es nicht, da können wir sicher sein. Ich dachte mehr an Sisinella und ihren neuen Liebhaber. Ich möchte wissen, ob sie vielleicht die Initiative ergriffen und zum Professore gegangen sein könnte. Und was Signora Iovine angeht, so hat sie ja vielleicht eine Veränderung in der Stimmung ihres Mannes bemerkt.«

»Na ja. Der gehörnte Ehemann, wie im Übrigen auch die betrogene Ehefrau, ist immer der Letzte, der es merkt«, murmelte Maione mit finsterer Miene.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.